«Gleiches Gleich, Ungleiches ungleich»

Die Finanzmarktregulierung muss den Besonderheiten und Risiken der verschiedenen Geschäftsmodelle bzw. Produkte und Dienstleistungen auf dem Finanzmarkt angemessen Rechnung tragen und diese differenziert regulieren. «Gleiches soll gleich, Ungleiches ungleich reguliert werden». Für einfache, risikoarme Geschäftsmodelle sollen einfachere Regeln gelten als für komplexe, risikoreiche. Nur eine differenzierte Regulierung ist verhältnismässig, kostengünstig und wettbewerbsneutral.

Verhältnismässigkeit und Gleichbehandlung

Die Notwendigkeit differenzierter Regulierung folgt aus den verfassungsmässigen Grundsätzen der Verhältnismässigkeit und der Gleichbehandlung. Regulatorische Differenzierung heisst: «Gleiches soll gleich, Ungleiches soll ungleich reguliert werden». Bei der Finanzmarktregulierung bedeutet dies, dass komplexe Geschäftsmodelle und Produkte bzw. Dienstleistungen mit hohen Risiken für die Systemstabilität oder Anleger strenger reguliert werden sollen als einfache, risikoarme. Es ist für den Finanzplatz Schweiz zentral, dass dieser Grundsatz bei allen aktuellen und künftigen Finanzmarktregulierungen (z.B. Eigenmittelregulierung, Liquiditätsregulierung, Anlegerschutz, etc.) konsequent umgesetzt wird.

Differenzierte Regulierung ist in der Schweiz nichts Neues. Das Eidgenössische Finanzdepartement hat schon 2005 Richtlinien herausgegeben, die von den Behörden «eine verhältnismässige, kostengünstige und differenzierte Regulierung» fordern, welche «den Besonderheiten und Risiken einzelner Geschäftstätigkeiten und Branchen in angemessener Weise Rechnung trägt».

Strukturpolitik durch undifferenzierte Regulierung

Undifferenzierte Regulierung nach dem Motto «one size fits all» trifft kleine und mittlere, inlandorientierte Banken überproportional. Diese können Kosten aufgrund ihrer Grösse und Marktorientierung weniger gut skalieren oder durch Expansion in ausländische Märkte kompensieren. Die Folgen von undifferenzierter Regulierung sind erhebliche Benachteiligungen einzelnen Marktteilnehmer, Wettbewerbsverzerrungen und die Gefahr einer unerwünschten Strukturpolitik. Dies geht zulasten der Vielfalt, des Wettbewerbs und der Stabilität des Finanzplatzes Schweiz.

Verhältnismässige Regulierung für mehr Wettbewerbsfähigkeit

Ursache für undifferenzierte Regulierung ist oft die unreflektierte Übernahme internationaler Regelungen, die vorab auf globale Finanzmärkte und international tätige Finanzakteure zugeschnitten, jedoch nicht auf nationale und regionale Marktverhältnisse bzw. Anbieter abgestimmt sind. Häufig fehlt bei solchen Übernahmen eine angemessene Analyse des konkreten Regulierungsbedarfs in der Schweiz sowie der Regulierungsfolgen. Es ist unbestritten, dass international festgelegte Standards in der Finanzmarktregulierung für die globale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes und dessen Reputation wichtig sind und übernommen werden müssen. Ebenso wichtig ist jedoch, dass bei der nationalen Umsetzung die vorhandenen Spielräume genutzt werden und differenziert reguliert wird. Die Chancen für eine verhältnismässige, liberale, prinzipienbasierte Schweizer Regulierung mit Augenmass sollten gerade aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit genutzt werden.

Differenzierung nach Risikoexposition und Komplexität

Je nach Ziel der Finanzmarktregulierung unterscheidet sich das Prinzip der Differenzierung. Beim Systemschutz richtet sich die Differenzierung nach dem Risiko eines Finanzinstituts für die Stabilität und das Funktionieren des Finanzsystems. Es gilt der Grundsatz: Je grösser, komplexer und risikoorientierter ein Finanzinstitut ist, desto relevanter wird es für die Stabilität des Finanzplatzes. Entsprechend steigen die regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen. Beim Anlegerschutz dagegen geht es primär um die Komplexität eines Finanzprodukts oder einer Finanzdienstleistung und die daraus entstehenden Risiken für einen bestimmten Kunden. Es gilt der Grundsatz: Komplexe Finanzprodukte und -dienstleistungen sollen strenger reguliert werden als einfache. Zudem ist eine Differenzierung entlang von definierten Kundengruppen sinnvoll. Professionelle Kunden wie beispielsweise institutionelle Anleger verfügen über umfassendes Knowhow über die Finanzmärkte. Dementsprechend benötigen sie weniger tiefgehende Schutz- und Informationsbestimmungen wie Kleinanlegerinnen und Kleinanleger.